Normal Essen - was ist das überhaupt?
Mit dieser Frage habe ich mich schon öfter beschäftigt, denn Essen spielt sowohl privat als auch beruflich eine recht große Rolle. Als Sportlerin ist es mir wichtig, gesund und ausgewogen zu essen und vor allem genug und das Richtige, damit ich auch genug Kraft im Training habe. Beruflich begleite ich seit über 3 Jahren Menschen dabei, ein gesundes Essverhalten zu etablieren. Hier geht es sehr oft um Fragen wie:
- Habe ich ein gesundes Essverhalten?
- Was ist überhaupt ein gesundes Essverhalten?
- Wie finde ich zurück zu einem gesunden Essverhalten?
Vielleicht hast du dir auch schon mal selbst diese Fragen gestellt.
Meine Mentoring Teilnehmerinnen kommen oft von ganz unterschiedlichen Punkten, aber sie haben eins gemeinsam: Sie sind sich sicher, dass ihr Essverhalten nicht mehr ganz so gesund ist und wollen daran etwas verändern.
Gesund und ungesund zu definieren ist bereits bei Lebensmitteln schwierig. Oft gibt es einfach keine klare Grenzen bzw. die Einordnung findet recht subjektiv statt. Was für den einen gesund ist, kann für den anderen schon ungesund sein und umgekehrt. Deswegen bin ich z.B. auch ein Freund davon eher von nährstoffreichen und nährstoffarmen Lebensmitteln zu sprechen. Am Ende entscheidet ja nicht der Konsum von einem Lebensmittel, ob deine Ernährung jetzt gesund oder ungesund ist.
Wie machen wir das aber dann beim Thema Essverhalten?
Fangen wir doch einmal bei etwas an, das für mich keine gute Definition von einem gesunden Essverhalten ist: “Normales Essverhalten”. Normal bedeutet der Durchschnitt und essen wie der Durchschnitt wäre wohl eher weniger gut, wenn ich mir so die Ernährung des Durchschnittsbürgers in Deutschland anschaue😄
Auch, wenn das öfter mal in der Fitness Bubble vergessen wird, auf seine Nährstoffe zu achten ist tatsächlich im Durchschnitt wohl eher ungewöhnlich und nicht normal. Auch wenn es für dich vielleicht völlig normal ist. Für mich ist es z.B. auch super normal vegan zu essen und bei jeder warmen Mahlzeit eine ordentliche Portion Gemüse dabei zu haben. Ich komme eaaaaasy jeden Tag über meine min. 30g Ballaststoffe pro Tag. Teilweise esse ich doppelt oder dreifach so viel ohne speziell drauf zu achten 😜 Für mich ist das völlig normal. Für den Durchschnittsbürger wohl eher nicht so. Da wird sich die Frage gestellt, wie sie überhaupt mal Gemüse einbauen können.
Ich find die Frage nach der Definition von normal eh generell sehr spannend… Du kannst dir ja mal die Frage stellen: Was ist für dich eigentlich normal? Wie schaut ein normales Teller bei dir aus? Wie ein normaler Tag? Wie ein normales Essverhalten? Und was ist für dich definitiv NICHT normal?
Am besten schreibst du es dir gerade mal direkt auf und dann schauen wir nochmal am Ende des Beitrags drauf, ob du es immer noch genauso siehst😉
Wir stellen also fest: “Normal” bringt uns nicht so weiter bei der Definition von einem gesunden Essverhalten. Was also dann?
Ich würde bei der Definition noch Gefühle reinbringen. Denn wenn wir ehrlich sind, ist das meiste eigentlich neutral. Das merkt man ja auch bei Kommunikation generell. Die meisten Worte sind neutral. Wie wir sie deuten mit Hilfe unserer Erfahrung oder Beziehung, die wir zu dem Gegenüber führen, gibt dem Ganzen erst eine Wertung. Diese Erkenntnis ist übrigens ultra wichtig und, wenn du das versanden hast, wirst du viele Dinge auf einmal anders sehen und viel entspannter mit gewissen Situationen werden. Deswegen nochmal: Die meisten Handlungen oder Wörter sind neutral. Du selbst gibst ihnen eine Wertung.
Wenn du also neutral zu deinem Essverhalten und Ernährung an sich stehst (also auch so Themen wie Kalorien), würde ich sagen, ist das schon mal ein gutes Zeichen für ein gesundes Essverhalten. Trotzdem kann es natürlich sein, dass du dir keine Gedanken drum machst, und es eigentlich machen solltest, weil du super viele ungesunde Gewohnheiten hast. Also irgendwie auch nicht die perfekte Definition.
Teilweise wird ein gesundes Essverhalten auch einfach als die Abwesenheit von Angst bzgl. Kalorien oder gegenüber gewissen Lebensmitteln definiert. Das finde ich an sich schon eine bessere Definition.
Die Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen definiert ein gestörtes Essverhalten wie folgt:
Bei einem gesunden Essverhalten wird die Nahrungsaufnahme vor allem durch den Hunger und den Sättigungsmechanismus gesteuert. Essen erhält in erster Linie Gesundheit, Antrieb, Lebensenergie und Lebensfreude. Essen bringt Genuss, macht Freude, erhält arbeitsfähig und hilft Freundschaften zu pflegen. Das “gesunde” Essen ist rhythmisch in den Tagesablauf eingebaut und gehorcht physiologischen und sozialpsychologischen Anforderungen. Je gestörter das Essverhalten ist, desto mehr bringt es Sorgen und Probleme und stört Freundschaften und soziale Bezüge.
Und diesen letzten Punkt finde ich nochmal nennenswert. Desto mehr Sorgen und Probleme ein Essverhalten mitbringt, desto ungesünder ist es.
Ich würde sagen, ich fasse jetzt einfach mal zusammen, was ich persönlich als gesundes Essverhalten bezeichnen würde:
- Du hast keine Angst vor bestimmten Lebensmitteln.
- Du kannst flexibel auf ungeplante Situationen reagieren und deine Ernährung dementsprechend anpassen ohne schlechtes Gewissen oder Sorgen.
- Deine Gedanken um Essen sind größtenteils positiv oder neutral.
- Du hörst größtenteils auf dein Hunger- und Sättigungsgefühl: Hier ist wichtig “größtenteils” zu betonen, denn für viele ist es einfach unrealistisch sich den ganzen Tag intuitiv zu ernähren und zu essen, wann sie wollen, weil sie beispielsweise einfach an Pausenzeiten gebunden sind. Das ist auch völlig okay, und das musst du auch nicht zerdenken. Geht hier nicht darum etwas perfekt zu machen, sondern so wie es für dich umsetzbar im Alltag ist.
- Du kannst entspannt mit Familie und Freunde essen ohne dir vorher und nachher den Kopf über Kalorien zu zerbrechen.
- Du gestaltest deine Ernährung größtenteils gesund und nährstoffreich, erlaubst es dir jedoch auch mal davon abzuweichen ohne direkt eine Krise zu bekommen.
- Du versuchst dein Essverhalten nicht vor anderen zu verstecken, weil es dir peinlich ist , sondern kannst entspannt mit anderen essen.
- Du isst größtenteils aus Hunger und nicht um andere Bedürfnisse oder Emotionen zu kompensieren: Auch hier wichtig, die Betonung liegt auf GRÖSSTENTEILS! Völlig okay auch mal über den Hunger zu essen, wenn du im Urlaub bist oder mit Freunden isst oder einfach etwas zu essen, weil du Bock darauf hast. Es geht wie immer um die Balance.
Prinzipiell können wir also festhalten: Wenn du dir ständig Sorgen und Gedanken ums Thema Essen machst, ein schlechtes Gewissen hast oder dich in deinem Leben sehr einschränkst, ist es kein gesundes Essverhalten. Es kann natürlich sein, dass du dich für ein bestimmtes Ziel (vor allem als Sportler:in) eine Zeit lang etwas mehr einschränkst in deiner Lebensmittelauswahl, aber solange das nicht überhand nimmt und du die Sache rational betrachten kannst und vor allem generell sonst eine gesunde Einstellung zu Essen hast, musst du dir wahrscheinlich nicht viele Gedanken machen. Aber ich denke, die meisten die so entspannt sind, lesen diesen Beitrag gar nicht😄.
Übrigens werde ich auch oft gefragt, ob ich Volumen-Essen schon als problematisch ansehe. Und es kommt darauf an, manche essen auch mehr, manche weniger. Finde das nicht per se schlimm, ich esse auch relativ große Portionen. Aber auch hier wieder: Wenn du das Gefühl hast, du wirst von normalen Portionen einfach nie satt und hast jetzt keinen ultra hohen Kalorienverbrauch, solltest du das schon mal hinterfragen. An sich kann ich dich aber beruhigen, wenn du viel Sport machst, dich viel bewegst, dann brauchst du ja auch mehr Kalorien. Bei Volumen-Essen gehts ja aber auch vor allem darum, möglichst kalorienarm so viel wie möglich an Menge zu bekommen. Wenn das jetzt IMMER der Fall ist und du sonst nie was anderes essen kannst als Gemüse gefühlt, dann fände ich es bedenklich. Aber auch hier wieder: Schwer allgemein zu sagen. Müsste ich mir individuell angucken und die Umstände betrachten. Da spielt einfach zu viel rein.
Wenn du dir persönlich unsicher bist, ob dein Essverhalten noch so gesund ist und einfach mal eine Meinung von außen haben willst, schreib mir auch gerne einfach mal bei Instagram. Ich guck mir die Situation gerne mal an. Auch, wenn du dir sicher bist, dass du kein so gutes Verhältnis mehr zu Essen hast. Ich bin mir sicher, ich kann dir den ein oder anderen Tipp geben. Ich freue mich auf deine Nachricht💗
🎙Mehr dazu findest du auch in meinem Podcast Kein Essen ist auch keine Lösung, Folge #38 – Was bedeutet “normal” essen?